27 Januar 2009

 

Der Staat wird zahlen und Orest wird seine Mutter töten

Wer die Zeitung liest, sitzt mitten in der Krise. Eines erstaunt dabei: den Wirtschaftsprognostiker zufolge kommt 2010 der Aufschwung und zwischen der Krise und dem Aufschwung hätten wir eine gerade mal messbare Rezession gehabt. Gleichzeitig werden in allen Ländern staatliche Abermilliardenprogramme geschnürt, die auch Industriestaaten kaum je bezahlen werden können. Die Schweiz ist darin wie eine Insel im Sturm. Leider nicht als Fels, sondern eher als Sandbank.

Der US-Konsument lebt seit Jahren auf Pump. Bisher waren die Mechanismen dieses Pumps einigermassen intransparent und ermöglichten die Aufrechterhaltung der Illusion: Steigende Häuserpreise ermöglichten eine immerwährende Verschuldung mit den Immobilien als Sicherheit. Die mit den Hypotheken verbundene Kreditschöpfung durch den Bankensektor wurde letzten Endes über das Leistungsbilanzdefizit (China?) finanziert. Heute geschieht dies viel direkter: der Staat verschuldet sich auf dem Kapitalmarkt und gibt das Geld an die Konsumenten weiter. So zumindest ist es geplant. Leider steigt der staatliche Finanzierungsbedarf nunmehr in den anderen Ländern auch, weil dort alle irgendwelche Wirtschaftssektoren vor dem Unvermeidlichen schützen wollen. Am Ende gibt es soviel Geld gar nicht und es muss – im nationalen Interesse – die Notenpresse hinhalten, wie meistens bei den zwei bis drei mal pro Jahrhundert auftretenden globalen Finanzkrisen.

Das Chaos ist nun perfekt. Alle laufen Amok. Jeder Ökonom hat sein eigenes Rezept und widerspricht allen anderen. Die Politiker gehen – wie immer – den Weg des geringsten Widerstandes und machen was im jeweiligen Land gerade gefordert wird (auch wenn dies alle paar Wochen ändert). In der Schweiz fragen wir uns, ob die Bankangestellten ihre Gehälter erhalten sollen oder nicht und kommen dadurch immerhin nicht auf noch dümmere Gedanken (es sei denn, wir würden die Gehälter am Ende nicht bezahlen).

Hier noch mein Rezept (den Göttern sei Dank wird diese Meinung von einigen anderen auch geteilt): die Bankbilanzen müssen saniert werden um zu verhindern, dass die Bankenkrise permanent wird, so wie in Japan in den neunziger Jahren. Dies geht nur durch die Auslagerung von allzu risikobehafteten "Wert-"schriften, sprich "Bad bank". Alles andere ist reine und suizidäre Verzögerungstaktik. Ungerecht ? Bert Brecht hätte es auch gefressen. Wo möglich sollen insolvente Banken natürlich durch die Aufsichtsbehörden und die Staatskasse restrukturiert werden und zwar so dass die Aktionäre dabei leer ausgehen. Da und nur da soll der Staat bezahlen. Nicht weil es so gut ist, sondern weil es keine Alternativen mehr gibt. Auf Konjunkturpakete dagegen könn(t)en wir in Europa, zumindest vorläufig, getrost verzichten. Big Government macht da alles nur schlimmer. Erstens gibt es (im Gegensatz zu den 30er Jahren) eine Arbeitslosenversicherung, die ein Abgleiten in eine Depression mit Sicherheit verhindert, zweitens verhindert solche Intervention die in der Rezession dringend notwendigen Restrukturierungen innerhalb des Privatsektors. Drittens schützt damit jeder seine Exportindustrie – auf Kosten der anderen. Und viertens könnten uns all die *überrissenen* und *verfrühten* Konjunkturprogramme den Kopf kosten, weil die sich abzeichnende Staatsverschuldung so gewaltig ist, dass sich auch die nur minimal rationalen Unternehmen definitiv auf ungemütliche Zeiten einstellen werden, und wir landen trotz Arbeitslosenversicherung und Aufrechterhaltung der Infrastruktur dennoch in der Patsche.

Statt Zeitung lese ich nun lieber wieder einmal Aischylos, dessen Tragödien mit vorgegebenem Szenario zwar nicht besonders aufmunternd sind, aber der uns Barbaren dank des kaum je wieder erreichten literarischen Inhalts etwas lehren kann über den Menschen.

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