27 November 2008

 

Gegen die WoZ (und auch die NZZ)

Zu "Wir müssen Alternativen finden zum neoliberalen Unternehmerkapitalismus" (http://www.woz.ch/artikel/newsletter/17201.html):

Das gute an den "Linken" sind die Analysen. Wie wahr, allzu wahr die alle sind!! Doch mit der Vergangenheit, dem Establishment, dem System, dem psychanalytischen "Vater" lediglich abzurechnen, ist nur die halbe Lösung. Und halbe Lösungen sind oft noch schlimmer als gar keine. Wie sehen denn Lösungen aus ? Es gilt dabei immer aufzubauen, nicht zu zerschlagen. Revolutionen bringen immer nur noch mehr Unglück.

Ich glaube das Problem liegt im (neoliberalen) Finanzkapitalismus; dazu müssen in der Tat "Alternativen" gefunden werden. Ein Teil der Lösung ist aber nicht die vollständige Zerschlagung jeglicher Strukturen, sondern die Rückbesinnung auf den zu unrecht verschrienen Unternehmerkapitalismus. Denjenigen nämlich, in dem der Unternehmer Verantwortung übernimmt und (wenn nötig mit einer gewissen Dosis Paternalismus) die Mitarbeiter mit in diese Verantortung nehmen kann – menschliche Beziehungen pflegt. Verantwortlich sind diese dann alle – jeder nach seinen Kräften – für ein nachhaltiges Wirtschaften, das im Interesse aller ist. In diesem Sinne ist das Ausgangszitat zu ergänzen.

Was den "Neoliberalismus" betrifft, so war und ist dieser ein rein ideologisches Schlagwort und entsprechend schwer abzugrenzen. Ich gehe einmal davon aus, dass "neoliberale" Werte etwa folgende sind: totaler Individualismus, Konsum ist Glück, der Markt hat immer recht. Das Problem ist, dass an diesen Werten etwas halbes dran ist. Sie können nicht über Bord geworfen werden, sonst haben wir das Gegenteil: den totalen Kollektivismus, nichts zu konsumieren und eine Diktatur gegen das Volk. Das Problem der europäischen Linken (z.B.) ist der immer noch herumgeisternde Bezug zum "Sozialismus", welcher einfach nur genau dieses andere Extrem beinhaltet. So lange sich beide Fronten gegenseitig in Schach halten, resultiert in etwa ein gangbarer Kompromiss. Schlimm ist es, wenn die einen oder anderen Überhand gewinnen (geschieht i.d.R. durch unheilige Allianzen, z.B. SP und SVP gegen gemässigtere Kreise).

Besser ist eine Besinnung auf menschliche Werte, wie sie beispielsweise in der Renaissance und Aufklärung formuliert wurden. (verantwortliche Autonomie des Individuums, Mässigung, Selbsterkenntnis, etc.). Werte können aber nicht von oben oder von politischen Parteien aufgezwungen werden. Deshalb glaube ich, dass gesunder Wandel nur durch einen tiefgreifenden gesellschaftlichen Gesinnungswandel von unten her herbeigeführt werden kann, insbesondere spiritueller Art.

Hiesige Menschenfreunde müssten zur Entfachung solcher Kräfte den hoffnungslos überfälligen Untoten namens Kulturkampf endlich überwinden, d.h. den Antagonismus zwischen Tradition und Fortschritt überwinden – sie würden also letztere beiden miteinander verbinden und verbünden. Konkret heisst dies, dass neues geschaffen wird, ohne alles alte zu verdrängen – ohne den "Vater" zu töten (wie dies im übrigen auch die "Neoliberalen" oder die artverwandten anarcho-libertären insgeheim wollen). Hauptproblem dabei ist, dass sich die intellektuellen Omphalisten aller Art dabei auf das Niveau der real existierenden Wirtschaftssubjekte herablassen müssen. Die Schlagkraft solcher linker und rechter – im Sinne des Zitates – "Alternativer" gegen die gegenwärtige Hybris wäre unglaublich viel grösser und auch glaubwürdiger. Sie würden die Energie der Hoffnung mit der Stärke eines sicheren Standes vereinen.

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